Krankheiten im Alter
Autorin: Dr. med. vet. Sunayana Mitra
Wie auch beim Menschen treten beim Tier im fortgeschrittenen Alter Krankheiten auf, die teilweise auf den Verschleiß innerer Organe bzw. des Skelettsystems zurückzuführen sind. Aber auch das Tumorwachstum tritt häufiger im Alter auf. Meist fällt dem Besitzer eine Leistungsschwäche, Mattigkeit oder Appetitlosigkeit auf. Durch verschiedene Untersuchungsmethoden muss die Ursache vom Tierarzt analysiert werden.
Schmerzen in den Gliedmaßen, meist durch
Arthrosebildung der Gelenke, fallen vor allem bei einseitiger Lahmheit auf, bzw. bei einer Schmerzäußerung während der
Palpation (Abtasten ) einzelner Gelenke. Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, die durch
Spondylosebildung der Wirbelkörper hervorgerufen werden können, werden durch systematisches Abtasten beidseits seitlich der Wirbelsäule festgestellt. Hierbei verspannt sich die Muskulatur bei Schmerz bzw. zuckt die Haut ruckartig zusammen (Pannikulusreflex).
Ein schmerzfreier Rücken dagegen wippt mit der tastenden Belastung elastisch mit. Weiterführend wird das Skelettsystem
röntgenologisch untersucht, um die Knochenveränderung und ihren Schweregrad festzustellen und eine Prognose sowie einen Therapieplan aufstellen zu können.
Rheumafaktoren oder eine Borrelioseinfektion werden über eine
Blutuntersuchung abgeklärt. Hierbei sollte betont werden, dass Tiere ein
Schmerzgedächtnis haben. Man darf nicht warten bis die Schmerzen stärker werden, um dann erst ein Schmerzmittel anzuwenden. Behandelt der Tierarzt einen akuten Entzündungsschub, kann das Medikament nach Abklingen meist reduziert werden.
Oftmals können auch Physiotherapie (Schwimmen, Aquatraining), Massage der Gliedmassen, Magnetfeldtherapie oder Futterzusätze wie Glycosaminoglykane (Muschelextrakte), Chondroitin und Glutamin einen Einfluss auf die Bildung von Gelenkschmiere (Synovia) nehmen und somit zur Reduzierung von entzündungs-hemmenden Schmerzmitteln (Antiphlogistika) führen. FehlendeMuskulatur kann unter Umständen mit Muskel aufbauenden Präparaten (Anabolika) unterstützt werden, um dem Skelettsystem mehr Halt zu geben.
Auch die Organe, wie
Leber, Nieren, Milz, Magen - Darm oder Herz können im Alter weniger effizient arbeiten. Über eine
Blutuntersuchung erhält der Tierarzt erste Hinweise. Allerdings kann der Körper die verminderte Leistung lange kompensieren, sodass zum Beispiel die Leber- oder Nierenwerte erst erhöht sind, wenn schon ¾ des Organgewebes nicht mehr arbeitet.
Die Größe der Organe ist ebenfalls auf dem
Röntgenbild ersichtlich. Genauer jedoch können innere Organe mittels eines
Ultraschallgerätes untersucht werden, da die Gewebestruktur nur hier erkennbar ist. So können chronische Veränderungen zum Beispiel von lokalen Tumoren abgegrenzt werden.
Das
Herz, als Motor des Körpers, nimmt eine Sonderstellung ein. Schon bei der jährlichen Impfung wird das Herz mit Hilfe eines
Stethoskops routinemäßig abgehört.
Herzgeräusche, statt der üblichen zwei Herztöne, geben einen Hinweis auf eine Strömungsveränderung des Blutes, die meist durch unzureichend schließende Herzklappen verursacht werden.
Blutdruckmessung, EKG, Röntgen und vor allem die
Ultraschalluntersuchung ergänzen die Informationen des Krankheitsbildes.
Die Funktionsweise des Herzens
Das vom Körper kommende
verbrauchte Blut wird von der
rechten Herzhälfte in die
Lunge gepumpt und dort mit Sauerstoff angereichert. Das sauerstoffreiche Blut kommt in die
linke Herzhälfte und wird von dort über die
Hauptschlagader (Aorta) in den Körper weitergeleitet.
Jede der beiden Herzhälften ist in einen Vorhof und eine Kammer unterteilt und nimmt eine Weichenstellung ein.
Vorhof und
Kammer sind durch Herzklappen getrennt. Diese Öffnen sich in der
Füllungsphase (Diastole), dem Einstrom von Blut aus dem Vorhof in die Kammer. Wenn das Blut in der
Auswurfphase (Systole) von der Kammer in die Lunge bzw. den Körper gepumpt wird, müssen diese Klappen geschlossen sein. Ist der Klappenschluss undicht, entweicht ein Teil des Blutes rückwärts in den jeweiligen Vorhof. Dies führt zu einem Rückstau erst im Vorhof und dann im vorgeschalteten Organ (Lunge bzw. Leber).
Durch einen primären Klappenfehler, durch einen erhöhten Blutdruck oder durch eine primäre Muskelschwäche dehnt sich die Herzkammer aus (Dilatative Kardiomyopathie). Spätestens dann schließen die Klappen nicht mehr zuverlässig (sekundäre Klappeninsuffizienz), da sie passiv auseinander gezogen sind.
Am häufigsten ist die
Mitralklappe der linken Herzhälfte defekt (Mitralinsuffizienz). Als Folge kommt es zu
Atemwegsproblemen.
Aus den gestauten Blutgefäßen sickert Flüssigkeit in die Lungenbläschen, die eigentlich nur Luft enthalten sollten. Im Volksmund nennt man dieses Phänomen
„Wasser in der Lunge“. Die Tiere werden
kurzatmig, brauchen nach Anstrengung oder Freude länger, um sich zu erholen,
husten und schlafen in der Nacht durch ihre Atemnot meist nicht durch. In fortgeschrittenem Stadium erkennt man den
Sauerstoffmangel an einer
bläulich (lila) verfärbten Zunge.
Spätestens dann muss unverzüglich ein Tierarzt aufgesucht werden. Dieser Zustand kann lebensbedrohlich sein!
Die Herzmuskulatur kann auch zu dick sein (Hypertrophe Kardiomyopathie). Dann kann sich die schmale Herzkammer nicht genügend mit sauerstoffreichem Blut füllen und es entsteht ebenfalls ein Sauerstoffmangel. In diesem Fall wird das Herz aber mit anderen Medikamenten unterstützt als bei einem erweiterten Herzen.
Die Klappen (Mitralklappe, Trikuspitalklappe, Aortenklappe oder Pulmonalklappe) können durch eine Verhärtung auch einen Engpass bilden (Stenose). Ein ungenügender Klappenschluss (Insuffizienz) kommt von einer Fehlbildung (Endokardiose) oder durch eine entzündliche Veränderung (Endokarditis). Die Entzündung kann zum Beispiel über eine streuende Bakterieninfektion (Zahnsteinbefall) hervorgerufen worden sein.
Die
Ultraschalluntersuchung des Herzens ist daher die genaueste Untersuchungsmethode, da sich mit ihr der
Aufbau des Herzens genau darstellen lässt. Die
Herzmuskulatur, ihre Dicke und Kontraktionsfähigkeit, kann in einem Querschnitt (B-Mode) und im zeitlichen Verlauf (T-Mode) während der Füllungsphase und während der Auswurfphase ausgemessen werden. Im Vergleich zum Körpergewicht geben die Messdaten die Herzleistung wieder.
Der
Durchmesser der Vorhöfe im Vergleich zur Aorta (Hauptschlagader) gibt Aufschluss über den verursachenden Rückstau des Blutes, eine
Doppler - Ultraschalluntersuchung stellt das Ausmaß eines Blutrückflusses dar.
Die
Herzklappen, ihr Aussehen, ihre Bewegung und ein eventueller Blutrückfluss können also mit einer Ultraschalluntersuchung festgehalten und analysiert werden. Anhand der gewonnenen Ergebnisse wählt der Tierarzt die passenden Medikamente. Diese können den
Blutdruck senken, die
Herzmuskelleistung erhöhen oder mittels einer
Entwässerung die Atemnot lindern. Oftmals muss das Tier bis zur Besserung in Kontrollterminen erst vorsichtig an die optimale Dosierung herangeführt werden. Die Intervalle der Termine setzt der Tierarzt je nach Schweregrad der Erkrankung fest.
Auch bei gut eingestellten Herzpatienten, kann zum Beispiel bei einem Wetterumschwung eine erneute Verschlechterung eintreten, sodass eine Kontrolluntersuchung dringend anzuraten ist.
Je besser der Tierbesitzer aufgeklärt ist, desto sicherer kann er die Situation seines Tieres auch zuhause beurteilen. Scheuen Sie sich also nicht, solange nachzufragen, bis Sie wirklich alles verstanden haben. Im Zweifelsfall haben wir Tierärzte den Sachverhalt zu schlecht erklärt!