Handaufzucht von Kaninchenwelpen
Autorin: Dr. med. vet. Bianca Spennemann
Es kann immer passieren, dass eine Häsin ihre Welpen nicht versorgen kann, oder will. Für Sie als Besitzer ist es wichtig zu wissen wie sich eine Häsin „normal“ verhält, und wann Sie eingreifen müssen, um das Leben der Jungtiere zu retten. Die Tragzeit von Kaninchen beträgt in der Regel 31 Tage. Wenige Tage vor dem Geburtstermin beginnt die Häsin mit dem Nestbau. Sollten Sie ein Pärchen besitzen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt den Rammler in einen zweiten Käfig (direkt neben die Häsin) zu setzen und gegebenenfalls kastrieren zu lassen. Um der Häsin die Wahl des Platzes zu erleichtern, können Sie einen Teil des Käfigs verdunkeln. Gerade junge Häsinnen, die zum ersten Mal werfen, und noch nicht wissen, was auf sie zukommt, sind oft unruhig und können sich nicht entscheiden, wohin mit dem Nest. Bieten Sie den Tieren genug Nestbaumaterial an (Heu). Zum Auspolstern wird sich die Häsin Fell am Bauch ausrupfen.
Wundern Sie sich nicht, wenn Ihr Kaninchen während der Trächtigkeit und der Aufzucht ihrer Welpen zickig oder sogar bissig ist, dieser Schutztrieb ist normal und wird sich wieder legen.
Mit der Geburt haben Kaninchen selten Schwierigkeiten, außer die Tiere werden in höherem Alter zum ersten Mal trächtig, oder es ist eine Einlingsträchtigkeit. Mit einem Röntgenbild kann dies leicht abgeklärt werden.
Kaninchenwelpen sind Nesthocker und werden taub und blind geboren. Im Gegensatz zu Hund und Katze „glucken“ Kaninchenmütter nicht um ihren Nachwuchs herum. Die Häsin säugt ihre Welpen nur ein- bis zweimal am Tag. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie nie sehen können, wann die Jungtiere gesäugt werden. Um kontrollieren zu können, ob es den Welpen gut geht, müssen Sie erst die Häsin (außer sie vertraut Ihnen sehr) aus dem Käfig nehmen (mit Futter oder Freilauf ablenken) und außer Sichtweite bringen. Heben Sie dann vorsichtig die oberste Heulage hoch und schauen Sie die Welpen an. Die ersten Tage sollten Sie die Welpen nicht anfassen. Achten Sie besonders auf die Bäuche der Kaninchen, diese sollten rund und glatt sein. Eingefallene und runzelige Bäuche, sowie übermäßig unruhige Welpen, die vielleicht sogar versuchen das Nest zu verlassen, können Anzeichen dafür sein, dass die Häsin Ihren Nachwuchs nicht richtig versorgt.Sobald Sie sich versichert haben, dass alles in Ordnung ist, setzen Sie die Häsin wieder in den Käfig zu ihren Jungen. Versuchen Sie die Häsin so wenig wie möglich zu beunruhigen, sie könnte sonst versuchen ihre Jungen wegzubringen oder sie im schlimmsten Fall töten.
Wenn Sie feststellen, dass die Welpen extrem unruhig sind, oder eingefallene runzlige Bäuche haben, müssen Sie herausfinden, ob die Häsin überhaupt Milch produziert. Dazu legen Sie das Tier vorsichtig auf Ihrem Schoß auf den Rücken, und pressen vorsichtig mit zwei Fingern vom Zitzenansatz bis zur Spitze. Es ist ratsam, dass mindestens zwei Personen an dieser Untersuchung beteiligt sind, da die Tiere sowohl sich selbst als auch den Untersucher mit ihren kräftigen Hinterläufen leicht verletzen können. Wenn Sie sich nicht sicher sind, bringen Sie Häsin mit den Welpen zu Ihrem Tierarzt. Er wird Ihnen ganz genau sagen können, ob die Häsin Milch produziert, und Ihnen dann auch zeigen, wie Sie die Welpen an die Zitzen „anlegen“ können, ohne dass die Welpen oder das Muttertier verletzt werden.
Hat die Häsin kein Nest gebaut, und die Welpen liegen nach der Geburt im Käfig verstreut, muss sofort eingegriffen werden, um eine Auskühlung der Welpen zu verhindern. Legen Sie eine regelmäßig zu wechselnde Wärmflasche in einen Korb und bilden mit weichem Material (keine Watte o.ä.!!) ein Nest. Heu mit Handtüchern oder zerrissene Küchenrolle eignen sich gut. Kontrollieren Sie die Wärme sorgfältig, Verbrennungen sind ebenso schädlich wie eine Unterkühlung.
Sollte die Häsin keine oder zu wenig Milch produzieren, müssen Sie die Welpen mit Ersatzmilch aufziehen.
Ein Wort zu Beginn: es ist schwierig neugeborene Kaninchenwelpen aufzuziehen, besonders, wenn man noch keine Erfahrung hat. Scheuen Sie sich also nicht zu fragen, wenn Sie Probleme haben!
Ablauf:
Obwohl die Häsin nur zweimal am Tag säugt, müssen die Welpen von Ihnen in der ersten Zeit alle 1-2 Stunden gefüttert werden. Wenn sie gut trinken, können die Abstände vergrößert werden. Legen Sie die Welpen zur Fütterung in Ihre warme Hand und halten Sie sie dabei in einer halb-waagerechten Position auf dem Rücken.
In jedem gut sortierten Zooladen finden Sie Fläschchen für Handaufzuchten. Stellen Sie sicher, dass der Sauger die passende Größe hat und möglichst weich ist (es gibt eklatante Unterschiede). Die Ausflussöffnung des Saugers muss vorsichtig angebracht werden. Ist sie zu klein, kann keine Milch fließen, ist sie zu groß, können die Welpen sich verschlucken und Milch in die Lunge bekommen, was tödlich enden kann. Füttern Sie nur so viel, wie die Welpen aufnehmen, sollte der Welpe einmal zu viel Milch abbekommen haben, halten sie ihn vorsichtig mit dem Kopf nach unten (damit die Milch abfließen kann) und wischen das Mäulchen sauber. Nach dem Füttern muss die Kot- und Urinausscheidung angeregt werden. Am einfachsten nimmt man dazu ein weiches, mit warmem Wasser befeuchtetes Tuch und reibt die Analregion des Welpen vorsichtig, bis Urin und Kot abgesetzt worden sind.
Kontrollieren Sie die Gewichtszunahme Ihrer Schützlinge mit einer Küchenwaage.
Ersatzmilch
Aufzuchtmilch für Katzen. Das Pulver wird nur mit der halben angegebenen Wassermenge vermischt. Beginnen sie mit 5 mlKorvimin (ca.1 Msp)
Traubenzucker (ca.2 Msp)
Speiseöl (Sonnenblumenöl, 2 Tropfen)
Die Milch sollte, wenn möglich, für jede Fütterung neu gemischt werden, nehmen Sie dazu abgekochtes Wasser. Zur Temperaturkontrolle halten Sie das Fläschchen an Ihre Wange. Anstatt Wasser kann auch 1/3 Fencheltee mit 2/3 Wasser verwendet werden. Der Vorteil ist die Prävention von Blähungen, der Nachteil ist (manchmal) die geringere Akzeptanz.
Ab dem 15ten Tag sollte Bird bene bac® mit in das Fläschchen gegeben werden (beim Tierarzt erhältlich), später können zusätzlich Schmelzflocken mit aufgelöst werden. Handaufgezogene Jungtiere versuchen oft schon ab dem 14ten Tag etwas zu mümmeln. Bieten Sie Ihnen weiches Heu, geringste (!) Mengen kleines Grünfutter (nicht blähend, nicht aus dem Kühlschrank, nicht feucht) an. Auch ein paar Haferflocken dürfen gegeben werden. Die Umstellung von Ersatzmilch auf Festnahrung ist heikel und erfordert Geduld und Fingerspitzengefühl. Futterfest sind die Kaninchen erst mit 6-8 Wochen.
Sollten Probleme auftauchen (Blähungen, Durchfall, Futterverweigerung etc.) melden Sie sich möglichst schnell bei Ihrem Tierarzt, denn bei dieser kleinen Tieren kann es schnell zu spät sein.